Peter von Dusburg war im 14. Jahrhundert gewissermaßen der Haus- und Hofhistoriker des Deutschen Ordens. Er versuchte mit seiner Chronik die Herrschaft des Ordens im „Pruzzenland“ zu rechtfertigen und dies beeinflusste erkennbar seine Darstellung der Pruzzen. Diese Leute mussten einfach christianisiert werden…

Die Prußen hatten keine Kenntnis von Gott. Weil sie einfältig waren, konnten sie ihn mit dem Verstand nicht begreifen, und da sie die Buchstaben nicht kannten, konnten sie ihn auch durch die Schrift nicht erkennen. Sie wunderten sich anfänglich über die Maßen darüber, daß man einem Abwesenden seine Meinung durch einen Brief darlegen könne. Weil sie also Gott nicht kannten, deshalb verehrten sie in ihrem Irrtum jegliche Kreatur als göttlich, nämlich Sonne, Mond und Sterne, Donner, Vögel, auch vierfüßige Tiere, ja sogar die Kröte. Sie hatten auch Wälder, Felder und Gewässer, die sie so heilig hielten, daß sie ihnen weder Holz zu hauen noch Äcker zu bestellen oder zu fischen wagten. Ferner lag mitten im Gebiet dieses ungläubigen Volks, nämlich in Nadrauen, ein Ort namens Romow, der seinen Namen von Rom herleitete; hier wohnte einer, der Criwe hieß und den sie als Papst verehrten; wie nämlich der Herr Papst die gesamte Kirche der Gläubigen regiert, so lenkte jener mit Wink oder Befehl nicht nur die Prußen, sondern auch die Litauer und die anderen Völker Livlands. Er besaß solches Ansehen, daß nicht allein er selbst oder jemand aus seinem Geschlecht, sondern auch ein Boten mit seinem Stab oder einem anderen bekannten Zeichen, wenn er das Gebiet der Ungläubigen durchzog, von den Königen, den Adligen und vom gemeinen Volk große Verehrung erfuhr. Auch hegte er – wie im Alten Testament – das ewige Feuer. Die Prußen glaubten an die Auferstehung des Fleisches, allerdings nicht so, wie sie es hätten tun sollen. Sie glaubten nämlich, wenn man vornehm oder gering, reich oder arm, mächtig oder machtlos in diesem Leben sei, so werde man es auch nach der Auferstehung im künftigen Leben sein. Daher wurden mit den verstorbenen Adligen Waffen, Pferde, Knechte und Mägde, Kleider, Jagdhunde, Beizvögel und andere Dinge, die zu einem adligen Leben gehören, verbrannt. Die Prußen glaubten, die verbrannten Dinge würden mit ihnen wiederauferstehen und ihnen dienen wie vor dem Tode. […]

Die Prußen begannen selten etwas Wichtiges, ohne vorher nach ihrem Brauche durch das Los von den Göttern erfragt zu haben, ob es gut oder schlecht für sie ausgehen werde. Aus überflüssigen oder kostbaren Kleidern machten sie sich nichts, und auch heute noch achten sie sie gering; wie man die Kleider heute ablegt, so zieht man sie morgen wieder an, ohne sich darum zu kümmern, ob man sie verkehrt trägt. Ein weiches Lager und feine Speisen kennen sie nicht. Als Getränk haben sie einfaches Wasser, ein Honiggetränk oder Met und Stutenmilch; diese tranken sie früher aber nur, wenn sie vorher geweiht worden war. Ein anderes Getränk kannten sie in den alten Zeiten nicht. Ihren Gästen erweisen sie soviel Freundlichkeit, wie sie nur können; und es gibt nichts an Eß- und Trinkbarem im Hause, das sie nicht mit jenen teilen. Sie glauben, nicht gut für ihre Gäste zu sorgen, wenn die ihren Getränken nicht bis zur Trunkenheit zusprechen. Sie haben die Gewohnheit, sich bei ihren Trinkgelagen zu gleichem, maßlosem Trinken gegenseitig zu verpflichten; so geschieht es, daß die einzelnen Hausgenossen ihrem Gast ein gewisses Maß unter der Bedingung anbieten, daß, wenn sie selbst ausgetrunken haben, der Gast dieselbe Menge trinkt; dieses Darbieten des Getränks wiederholt sich so lange, bis Gast und Gastgeber, Frau und Mann, Sohn und Tochter, alle betrunken sind. Nach einer alten Sitte kaufen die Prußen auch heute noch ihre Frauen für eine gewisse Summe Geldes. Daher hält der Mann seine Frau wie eine Magd; sie ißt nicht mit ihm am Tisch und muß dem Hausgenossen und den Gästen täglich die Füße waschen. Niemand darf bei den Prußen betteln; ungehindert geht der Arme bei ihnen von Haus zu Haus und ißt ohne Scheu mit, wann er will. Geschieht ein Totschlag bei ihnen, dann gibt es keine Aussöhnung, bevor nicht der Totschläger oder einer seiner Verwandten von den Verwandten des Erschlagenen getötet worden ist. Wenn sie durch ein unerwartetes Ereignis in eine übergroße Verwirrung gerieten, pflegten sie sich selbst zu töten.

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Quelle: Peter von Dusburg:  Chronik des Preussenlandes/Petri de Dusburg Chronicon terrae Prussiae, aus dem Lateinischen übersetzt von Klaus Scholz und Dieter Wojtecki, in: (Freiherr vom Stein-Gedächntnisausgabe, Bd. 25), Darmstadt 1984, S. 103 – 105.