Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten in Kaliningrad wieder Juden. Ihre Zahl war jedoch klein und sie standen untereinander oft kaum in Kontakt. Nach dem Ende der Sowjetunion, seit den 1990er Jahren, kam jedoch die Chance, sich zu einer Gemeinde zusammenzufinden. Gefragt waren nun Ideen, an welche Traditionen sich anknüpfen ließ.

Die jüdische Bevölkerung Königsbergs bestand im 20. Jahrhundert aus rund 3000 – 4000 Menschen. Die städtische Gemeinde war traditionell liberal, daneben bestand noch eine große orthodoxe Gemeinde, „Adas Israel“. Die Hauptsynagoge, auch „Neue Synagoge“ genannt, wurde in den Jahren 1893 – 1896 erbaut und stand bis zur „Kristallnacht“ am 9. November 1938.

Die heutigen Juden in Kaliningrad, die nach den Wurzeln ihrer eigenen, jüdischen Kultur forschen, haben die Möglichkeit, zwei Traditionslinien zu vereinen: zum einen, in der Nachfolge ihrer Väter und Großväter, die aus Russland oder den ukrainischen und weißrussischen Shtetln stammen, jüdische Eigenart und familiäre Werte zu bewahren, zum anderen, die Erinnerungen an die frühere Königsberger Gemeinde wieder aufleben zu lassen.

Zugegebenermaßen erscheint das Jiddische heute in etwa so exotisch wie einst das Hebräische. Die neue Generation hat sich für das Hebräische entschieden. Dies hat auch mit der Entstehung eines eigenen jüdischen Staates, Israel, zu tun. Das Jiddische jedoch erklingt weiterhin als Sprache der Lieder. Schon seit mehr als einem Jahr besteht in Kaliningrad der jüdische Kinderchor „Šofar“, dessen Repertoire sowohl volkstümliche Lieder als auch liturgische Gesänge umfasst. Ausgehend von diesem Chor entstand ein Zentrum für jüdische geistige Kultur. Die Kinder singen nicht nur, sondern lernen auch die Sprache der Lieder kennen, ihren Inhalt und ihren Sinn. Das Erlernen und Beherrschen der Sprache ist sehr wichtig für ihre zukünftige Entwicklung.

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Quelle: Viktor Šapiro: Šalom! in: Zapad Rossii, 1993, H. 2 (6), S. 15 – 18.