Provinznest oder Gartenstadt?

Der Architekt Erich Mendelsohn gilt als einer der bedeutendsten Architekten der klassischen Moderne. Er realisierte seit den 1920er Jahren zahlreiche Bauten in Deutschland und der Sowjetunion, später in Großbritannien, Palästina und den USA. Mendelsohn kam 1887 in Allenstein zur Welt, sein Architekturstudium führte ihn nach Berlin und München. Seine Studienzeit und ersten Berufsjahre waren geprägt von architektonischen Phantasien, die das zeitgenössische Verständnis von Moderne als urbanes, großstädtisches Phänomen und als technisch-industriellen Fortschritt verkörperten: Zahlreiche seiner Skizzen galten Flughäfen, Fabrikanlagen oder U-Bahnhöfen.

Da hätte es nahe gelegen, die Herkunft aus der Provinz  rasch vergessen zu machen. Doch Allenstein wird in diesem Zusammenhang von Mendelsohn neu „erfunden“. In einem Plakat für die Ostdeutsche Gewerbeausstellung 1910 lässt er seine Geburtsstadt neue Wertschätzung zuteilwerden, indem er sie mit dem damals modernen Ideal der luftig und leicht strukturierten „Gartenstadt“ in Verbindung bringt. Überhaupt schuf Mendelsohn in den Folgejahren immer wieder Bauten im „Pruzzenland“, bevorzugt mit religiösem Charakter, so das „Haus der Reinigung“ Bet Tahara für den jüdischen Friedhof in Allenstein sowie Bauten für die Jüdischen Gemeinden in Königsberg und Tilsit.

Aktiv werden

Bildquelle: Erich Mendelsohn: Plakat anlässlich der Ostdeutschen Gewerbeausstellung in Allenstein 1910, in: Kupferstich-Kabinett SPK, Berlin.