Eine „eingefrorene” Karte

Eigentlich galt in der Volksrepublik Polen die Devise, die nach 1945 neu gewonnenen „Nord- und Westgebiete”, darunter das „Pruzzenland” als „urpolnisch” anzusehen. Gar nicht dazu passt allerdings die Karte, die 1965 in einem Regionalatlas veröffentlicht wurde. Sie stellt die Verteilung der polnischen (oder eher: der polnischsprachigen) Bevölkerung dar, und zwar nach einer Vorlage des königlich-preußischen Statistikers Richard Böckh aus dem Jahre 1861. Auch wenn die Vorlage durch den polnisch-ermländischen Lehrer Jan Boenigk retuschiert wurde, so vermittelt die Karte, die ausdrücklich nicht als „historisch“ oder als „Geschichtskarte“ gekennzeichnet ist, den Nutzern noch in den 1960er Jahren den Eindruck, als seien große Teile Ermlands und Masurens trotz verbreiteter polnischer Ortsnamen nicht von polnischer Bevölkerung bewohnt. Die Karte ist gewissermaßen auf einem bestimmten Zeitraum „eingefroren“, nämlich auf dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als noch viele Deutsche in der damaligen Provinz Ostpreußen wohnten. Die umfassenden Migrationsbewegungen seit Mitte des 20. Jahrhunderts bleiben ganz außer Betracht.

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Bildquelle: Prezydium wojewódzkeij rady narodowej w Olsztynie (Hrsg.): Atlas regionalny Województwa Olsztyńskiego, Warszawa 1965.