„Die ostpreußische Tragödie“

Die umfassendste Schulbuchdarstellung von Flucht und Vertreibung aus dem „Pruzzenland“ 1944/45 gibt es, anders als es der Titel „Die ostpreußische Tragödie“ zunächst vermuten ließe, in Litauen. Die abgebildete Doppelseite bündelt die seit den 1990er und verstärkt seit den 2000er Jahren international geführte Debatte und mediale Aufbereitung des Themas in vielfältiger Weise. So sind auf einer Geschichtskarte mittels Pfeilen mit Zahlenangaben 2 Millionen Flüchtlinge vermerkt, was so auch den Angaben in Schulbüchern der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Darüber hinaus stellen die litauischen Schulbuchautoren nicht nur die Bewegung nach Westen, sondern auch die Begleitumstände dar: In der Karte markiert sind Datum und Ort von drei Schiffsversenkungen, der „Wilhelm Gustloff“, der „Goya“ und der „Steuben“. Aus der Bildlegende ist zu erfahren, dass die drei Schiffe von sowjetischen U-Booten torpediert wurden und dadurch rund 20.000 Todesopfer zu beklagen waren. Die Rolle der Roten Armee wird damit in Litauen, das bis 1990 zur Sowjetunion gehörte, in ein sehr kritisches Licht gerückt. Eine ähnliche Tendenz lässt sich in aktuellen polnischen Schulbüchern beobachten. In Polen finden sich aber noch kaum Bilder, die die deutsche Bevölkerung als Opfer zeigen, so wie es im vorliegenden litauischen Schulbuch geschieht: Mütter sitzen mit ihren kleinen Kindern in der Winterkälte auf Bahngleisen. Tatsächlich ist dieses Bild, das über internationale Bildagenturen bezogen werden kann, in anderen Publikationen auch zur Illustration von Geschichten über DP’s, Holocaust-Überlebende und polnische Flüchtlinge verwendet worden. Die Zeit der Gegenwart schließlich steht unter dem Blickwinkel der Versöhnung, indem die Begegnung ehemaliger deutschsprachiger Memelländer mit ihren litauischen Nachbarn im Jahre 2006 in Bild und Text dokumentiert wird.

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Bildquelle: Ignas Kapleris u. a.: Laikas. Istorijos vadovėlis 10 klasei. Teil 1. Vilnius 2007, S. 100-101.