Rasant und nachdenklich

Marion Gräfin Dönhoff war nicht nur eine einflussreiche Publizistin und Vordenkerin der „Neuen Ostpolitik“ in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch im Privaten eine höchst unkonventionelle Frau, mit einer Vorliebe für exotische Reiseziele und schnelle Autos. Bereits in den 1930er Jahren war sie in Westafrika gewesen und hatte mit ihrer Schwester Yvonne im offenen Sportwagen die südosteuropäische Halbinsel bis Albanien und Montenegro bereist, nach dem Zweiten Weltkrieg kamen ausgedehnte Touren im Nahen Osten, erneut in Westafrika oder im Jemen hinzu. Als sich 1963 die Möglichkeit bot, erstmals seit 1944 wieder in die frühere Heimat zu fahren, machte sie sich unerschrocken, wohl um das Aufsehen wissend, welches sie im sozialistischen Polen erregen würde, mit ihrem Porsche von Hamburg an den Mauersee auf. Mit Vorsicht gewählt waren allerdings die Besichtigungen im „Pruzzenland“: Nicht das Schloss Quittainen, das Marion Dönhoff als junge Frau bewohnte, war das Ziel, sondern Steinort, der frühere Sitz der mit Dönhoffs verwandten Lehndorffs. Das Wechselbad der Gefühle, das die Konfrontation alter Bilder von Heimat mit der gegenwärtigen Situation des Ortes zweifellos auslösen konnte, sah Marion Dönhoff wohl voraus und versuchte es durch Distanz zu bewältigen.

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Bildquelle: Marion Gräfin Dönhoff. Reisebilder. Fotografien und Texte aus vier Jahrzehnten, hrsg. von Friedrich Dönhoff, 2006, S. 252.